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Jesus per Tastenbefehl

Die rasend schnelle Entwicklung der Künstlichen Intelligenz macht vor dem Glauben keinen Halt. Wo Technologie und Glaube aufeinandertreffen, werfen KI-generierte Bilder und Videos neue Fragen zu Interpretation und religiöser Darstellung auf. Faszinierende und heikle Debatten sind garantiert.

Bild: tiktok/holyvlogsz

Anfangs Jahr war in der Kirche St. Johannes in Zug eine Bilderausstellung des ukrainischen Künstlers Jevgeni Ennio Solomoko zu sehen, der mit Künstlicher Intelligenz (KI) Bilder von Jesus auf dem Motorrad oder in einer Hängematte erstellte. Melanie Schnider hatte den Künstler interviewt und im Pfarreiblatt (Nr.10/11) darüber berichtet.

KI und religiöse Kunst

In den letzten Jahren hat KI Einzug in die Kunstwelt gehalten. Besonders im Bereich von religiösen Vorstellungen ist eine neue Form der Bildgestaltung festzustellen. Diese Werke entstehen durch komplexe Algorithmen, die auf riesigen Datenmengen basieren und sie erlauben es, Jesus in vielfältigen, oft ungewohnten Darstellungen zu visualisieren. Entscheidend für die Darstellung sind die sogenannten «Prompts» – die Texteingaben, die dem Algorithmus vorgeben, wie dieser Jesus auszusehen hat und welche Stimmung das Bild vermitteln soll.

Die Macht der Prompts

Die Qualität und Aussage eines KI-generierten Jesusbildes hängt massgeblich von den Prompts (inhaltliche Anweisungen) ab. Wird etwa «Jesus mit bärtigem europäischem Antlitz, lockigen Haaren und langem, weissem Gewand» eingegeben, entsteht ein stark von westlichen Vorstellungen geprägtes Bild. Mit Blick auf die Bilder von Solomoko schimmert dessen christlich-orthodoxer Hintergrund durch, der sich an der ostkirchlichen Ikonografie orientiert.

So spiegeln die Bilder Vorstellungen und ­Vorurteile derjenigen Person wider, die der ­​KI vorgibt, was sie zu gestalten hat. Diese ­Entwicklung betrifft auch Videos, die derzeit mit biblischem Inhalt Tiktok und Instagram fluten: Jesus, Noah oder Moses treten wie ­Influencer in Selfie-Perspektive auf.

Ethische und theologische ​Fragestellungen

Die Verwendung von KI zur Darstellung Jesu oder biblischer Inhalte wirft ethische und theologische Fragen auf. Können computer­generierte Bilder die spirituelle Bedeutung eines religiösen Symbols erfassen ? Oder besteht die Gefahr, dass sie banale oder sogar irreführende Darstellungen fördern ?

Während Kritiker um die Vielfalt der christlichen Kunstgeschichte fürchten, sehen Befürworter die Chance, neue Zugänge zu ­religiösen Themen zu schaffen und so den Dialog zwischen Technologie und Glauben ​zu fördern. Sicher ist derzeit nur eines: ​Die theologische Qualität ist äusserst dürftig, sie fördert Fehlvorstellungen und stereotype ­Klischees, gerade was Glaube und Kirche ­betrifft. Erschwerend kommt dazu, dass die Betreiber der Plattformen sich nicht für In­halte verantworten müssen. Hier ist auch die Kirche gefordert, sich Social-Media-Kompetenzen anzueignen und innovative Wege zu finden.

Das Glaubensbekenntnis als Grundlage

Im medialen Gedöns gilt es für uns als Christinnen und Christen, zu zentralen Fragen zurückzufinden. Bei genauem Hinsehen begegnen uns schon in den Evangelien verschiedene Jesusbilder mit unterschiedlichen Akzenten. Wir tun gut daran, uns dessen wieder einmal bewusst zu werden und uns damit auseinanderzusetzen.

Wer ist Jesus ? Was bedeutet unser Bekenntnis zu ihm ? Diese Fragen waren schon vor 1700 Jahren aktuell und haben das Konzil von Nizäa (um 325) beschäftigt: War er ­«wahrer Mensch» oder «wahrer Gott» ? Das damals formulierte Glaubensbekenntnis ist bis heute die Grundlage der katholischen, ­orthodoxen und der meisten protestantischen Kirchen. Es lohnt sich, wieder einmal darüber nachzudenken, was das Glaubens­bekenntnis aussagt.