Im Mittelalter machten Pilgerzeichen Glauben, Schutz und Gemeinschaft sichtbar. Vom bekannten Jakobsmuschel-Symbol bis zur Angelusglocke in Hünenberg: Pilgerzeichen waren weit verbreitet. Als gesegnete Objekte verbanden sie Menschen mit Wallfahrtsorten und dem Schutz der Heiligen – bis über den Tod hinaus.
Wer an einem besonderen Ort war oder an einem Anlass teilnahm, ersteht oft ein Erinnerungsstück – etwa eine Plakette oder einen Pin. Diese Sammelleidenschaft ist nicht neu: Schon im Mittelalter kauften Pilger sogenannte Pilgerzeichen. Dabei handelte es sich meist um aus Blei-Zinn gegossene Plaketten, die das Bild des jeweiligen Wallfahrtspatrons zeigten. Sie galten als gesegnete Objekte, die die Heiligkeit des Ortes in sich trugen. Oft befestigten Gläubige die Zeichen an Kleidung, am Hut oder einer Tasche; nicht nur als Erkennungsmerkmal, sondern auch als eine Art tragbarer Segen. Als Urform bis heute bekannt ist die Jakobsmuschel der Wallfahrerinnen und Wallfahrer nach Santiago de Compostela.
Eine öffentliche Glaubensbekundung
Über die individuelle Frömmigkeit hinaus hatten Pilgerzeichen auch eine soziale und repräsentative Funktion. Sie waren Ausdruck religiöser Identität und Zugehörigkeit. Wer ein Pilgerzeichen trug, zeigte damit öffentlich seine Glaubenstreue und sein Vertrauen auf die Hilfe Gottes und der Heiligen. In Zeiten, in denen viele Menschen nicht lesen konnten, wirkten derlei Zeichen wie sprechende Bilder des Glaubens. Ausserdem dienten Pilgerzeichen als Grabbeigabe oder in Hausaltären.
Pilgerzeichen sind nicht identisch
In seltenen Fällen wurden Pilgerzeichen auf Glocken angebracht, einerseits um deren geweihten Charakter zu untermalen, andererseits um die Wirkung des Heiligen durch den Klang weitherum ins Land zu bringen. So etwa bei der einstigen Angelusglocke der Wallfahrtskapelle St. Wolfgang in Hünenberg, die sich heute – als Dauerleihgabe der Kirchgemeinde Cham-Hünenberg – im Depot des Museums Burg Zug befindet. Die 1480 gegossene Glocke zeigt unter einem Baldachin den heiligen Wolfgang, der ein Modell der nach ihm benannten Wallfahrtskirche im österreichischen Salzkammergut präsentiert. Überdies ist auf dem Pilgerzeichen das Stadtzuger Wappen abgebildet – allerdings nur auf einer Seite der Glocke. Auf der anderen findet sich das Pilgerzeichen leicht abgewandelt. Das ist unüblich, wie das Jahrbuch des Zuger Staatsarchiv «Tugium» in Band 26 darlegt. Dadurch habe man möglicherweise beabsichtigt, das Heil von Bischof Wolfgang auf der Glocke gewissermassen zu bündeln, damit sich die durch den Glockenschall verbreitete Gnadenwirkung verstärken mochte.
Inschrift in Baarer Kapelle
Der heilige Wolfgang gilt als Fürbitter bei Augenkrankheiten und Fussleiden, er zählt – auch in unseren Gefilden – zu den Vierzehn Nothelfern. Jene sind beispielsweise auf dem Flügelaltar in der Beinhauskapelle St. Anna in Baar dargestellt. Dort steht an einer Wand der Begriff «Pilgerzeichen» – ohne weitere Einordnung. Was hat es damit auf sich? Bei der Sanierung der Kapelle im Jahr 1947 wurde diese sogenannte Rötelritzung freigelegt. Wie das Baarer Pfarrblatt im Dezember 1947 festhält, war die St. Anna-Kapelle entsprechend einst ein Ziel von Pilgern auf deren Weg nach Einsiedeln. Manche dieser Wallfahrenden haben hier ihre Wappen und Zeichen zurückgelassen, so zum Beispiel ein Herzog von Savoyen.
So zeigen Pilgerzeichen eindrucksvoll, wie tief Religion im Alltag des Mittelalters verwurzelt war. Sie waren zugleich Devotionalien, Glaubenszeugnisse und Schutzsymbole – kleine Gegenstände von grosser Bedeutung.